Bürgermeister Christian Schweitzer sieht im Haushalt 2021 wichtige Impulse für die Stadtentwicklung

Ein „Schicksalshaushalt“ durch Corona

Bürgermeister und Kämmerer präsentieren durch Hilfen von Bund und Land einen ausgeglichenen Haushalt. Millionenlöcher hat die Corona-Pandemie in die städtische Kasse gerissen. In diesem Jahr fehlen durch den Einbruch bei der Gewerbesteuer 8 Millionen Euro, im nächsten Jahr werden 7 Millionen Euro an Corona-Schäden befürchtet, je nach Dauer der Pandemie auch mehr.

Dennoch haben Bürgermeister Christian Schweitzer sowie der Erste Beigeordnete und Kämmerer Sven Frohwein gestern Abend einen ausgeglichen Haushalt in den Rat eingebracht. Möglich machen das vor allem Hilfsprogramme von Bund und Land.

Für das laufende Jahr wird der Haushaltsausgleich durch 10,2 Millionen aus dem Gewerbesteuerausgleichsgesetz (wir berichteten) gelingen. Überzahlungen fließen in die Rücklagen. Für 2021 sorgt das Corona-Isolationsgesetz für eine zumindest „buchmäßige“ Entlastung. Das bedeutet, die prognostizierten 7 Millionen Euro als Minus fehlen zwar immer noch, werden aber außerhalb des eigentlichen Haushaltes bilanziert. Der Schaden kann dann über 50 Jahre abgeschrieben werden, belastet dadurch aber die nachfolgenden Generationen. Von „Instrumenten, die die Schmerzen etwas abmildern“, sprach Kämmerer Sven Frohwein.

Sitzung nur durch das Grohe-Forum möglich

Im Gegensatz zu vielen anderen Städten hat Hemer nicht auf die Sitzung des Rates und die wichtige Einbringung des Haushaltes verzichtet. Ohne die Rahmenbedingungen im Grohe-Forum mit großem Abstand und Lüftungsanlage wäre dies nicht möglich gewesen, so Schweitzer. Verzichtet wurde aber auf die Verleihung der Ehrennadeln, die im Frühjahr nachgeholt werden soll. Durch die Präsentation der Finanzplanung vor dem Jahreswechsel bleibt die Stadt im Zeitplan. Im Januar sollen die Ausschüsse beraten, für den 16. Februar ist der Haushaltsbeschluss des Rates vorgesehen. Nach der Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde könnte dann zügig mit geplanten Investitionen begonnen werden, denn davon gibt es reichlich.

Fast eine Stunde lang stellten Bürgermeister und Kämmerer das Zahlenpaket vor, die weiteren 28 Tagesordnungspunkte waren in einer halben Stunde abgehakt. Es geht um nicht weniger als 109 Millionen Euro, die 2021 ausgegeben werden sollen. Die Erträge liegen etwas höher, so dass am Ende 48.000 Euro als Plus verbleiben. Gerne hätte der Bürgermeister einen Doppelhaushalt präsentiert, doch Corona sorgt für zu viele Unwägbarkeiten. „Wir fahren auf Sicht, behalten die Herausforderungen der Zukunft aber im Fokus“, sagte Christian Schweitzer über einen „mutigen, aber soliden“ Haushaltsentwurf. Steuererhöhungen soll es 2021 nicht geben, für 2022 ist eine Erhöhung der Grundsteuer jedoch eingerechnet, denn dann fehlen voraussichtlich 4,3 Millionen Euro. Die Steuererhöhung soll aber möglichst verhindert werden.

78 Millionen Euro sollen investiert werden

Der radikale Einsatz des Rotstiftes ist dabei nicht das Mittel. Rund 78 Millionen sollen in den nächsten fünf Jahren in der Stadt investiert werden. „Es ist ein gewaltiges, ambitioniertes Paket zur Verbesserung der Infrastruktur“, so Frohwein. Damit geht trotz erheblicher Fördermittel eine Erhöhung der Gesamtverschuldung von 40 auf 70 Millionen Euro einher. Zu den größten Projekten gehören das Hallenbad, die Sanierung von Kitas und Schulen, das Feuerwehrgerätehaus Becke, die Bücherei und der Friedenspark. Neue strategische Ziele möchte Schweitzer zusammen mit Rat und Bürgern festlegen, sobald Corona wieder gemeinsame Beratungen zulässt.

Viele finanzielle Sorgen belasten die Stadt seit Jahrzehnten: Ein strukturelles jährliches Defizit von rund 3 Millionen Euro durch eine chronische Unterfinanzierung, steigender Schuldenstand und der Eigenkapitalverzehr gehören dazu. Nun kommt noch Corona. „Die Folgen dieser Krise sind erheblich und werden uns langfristig begleiten“, so Kämmerer Sven Frohwein. Er sprach von einem „Schicksalshaushalt“ mit einer vergleichbaren Tragweite wie nach der Finanzkrise 2009.

Die Hilfsprogramme von Bund und Land seien Schmerzlindernd, von einer Gesundung des Haushalts könne aber keine Rede sein. Deutliche Kritik gab es an der Kreisumlage, denn der Märkische Kreis gebe seine Entlastungen nicht an die Kommunen weiter.

 

Harsche Kritik an weiter „klebrigen Händen“ des Kreises

Mit dem Haushalt stellt der Bürgermeister Herausforderungen und Investitionen vor und kritisiert die Kreisumlage

Der städtische Haushalt für 2021 spiegelt auch Ziele und Schwerpunkte bei den Investitionen und Aufgaben wider, die der Bürgermeister mit seinen Fachdiensten gesetzt hat und über die der Rat nun zu entscheiden hat. Auch wenn Corona und der Gesundheitsschutz 2021 im Vordergrund stehen, hat Bürgermeister Christian Schweitzer in seiner Haushaltsrede einige Kernherausforderungen hervorgehoben.

Vom Hallenbad-Neubau bis zum Radverkehr

Dazu zählen der demografische Wandel, die Digitalisierung, der Klima- und Umweltschutz, das nachhaltige Wirtschaften, eine zukunftsorientierte Stadtentwicklung und nicht zuletzt die Integration Geflüchteter. Corona und die gute Arbeit des zuständigen Fachdienstes hätten dieses Thema vom öffentlichen Radar verschwinden lassen, so der Bürgermeister. Derzeit leben 365 Geflüchtete in Hemer. Weitere 230 stehen noch als Aufnahmeverpflichtung aus. Die Integrationsaufgabe verursacht im Haushalt 2021 einen Zuschussbedarf von 1,3 Millionen Euro.

Rund 78 Millionen Euro sollen in den kommenden fünf Jahren investiert werden. 40 Prozent der Kosten können bereits durch Fördermittel finanziert werden. Die Weichen für viele Investitionen hat der Rat bereits durch vergangene Beschlüsse gestellt, einige stehen noch aus. Im einzelnen nannte Christian Schweitzer den Neubau des Hallenbads mit der Entscheidung über die Nachnutzung am alten Standort, die Instandhaltung und energetische Sanierung von Kitas und Schulen, die Umsetzung des Brandschutzbedarfsplans mit dem Neubau des Feuerwehrgerätehauses Becke, die Sanierung des Friedensparks und weiterer Parkanlagen, die Belebung der Innenstadt über das Regionaleprojekt „Bücherei 4.0“, den digitalen Wanderweg im Geotop Felsenmeer, die Digitalisierung der Schulen und der Verwaltung, der Bau des Regenrückhaltebeckens und die Renaturierung des Westiger Bachs auf der Fläche AvB/Nadler, die Förderung des Radverkehrs sowie eine Spielplatzoffensive.

Spielplatzoffensive in den nächsten fünf Jahren

„Für verhältnismäßig wenig Geld zeugen attraktive Spielplätze in einer Stadt von einer klaren Familienorientierung. Hier sehe ich in den nächsten Jahren einen großen Handlungsbedarf“, sagte der Bürgermeister im Rat. Eine halbe Million Euro sind bis 2025 für Spielplätze eingeplant.

Auf das Thema Digitalisierung ging Kämmerer Sven Frohwein noch genauer ein. So sollen im Bereich der Schuldigitalisierung mit den Fortsetzungsmaßnahmen aus 2020 und neuen Maßnahmen 2021 insgesamt 3,4 Millionen Euro für technische Ausstattungen und Baumaßnahmen eingesetzt werden. Für alle Endgeräte würden Wartungs- und Pflegeverträge im erheblichen Umfang abgeschlossen. „Auch die verwaltungsinternen Projekte schreiten voran“, so Frohwein. Die E-Personalakte und E-Steuerakte würden in Kürze, die E-Bauakte und der flächendeckende elektronische Posteingang im Frühjahr 2021 umgesetzt. Das Serviceportal für die Bürger soll fortlaufend erweitert werden.

Breiten Raum hat in den Haushaltsreden auch die Kritik an der Kreisumlage des Märkischen Kreises eingenommen. Die Freude über eine um 15 Millionen Euro niedrigere Kreisumlage als erwartet, hält sich in Grenzen. „Der neue Landrat hat in diesem Jahr damit begonnen die – von Hemers ehemaligem Bürgermeister Michael Esken benannten – ‘klebrigen Hände’ des Kreises zu waschen. Bei genauerer Betrachtung war die Reinigung aber weder sorgfältig noch nachhaltig“, sagte Bürgermeister Schweitzer.

Die Entlastung des Bundes bei den „Kosten der Unterkunft“ werde nur unvollständig an die Kommunen weitergereicht. Die Ausgleichsrücklage des Kreises wird bis 2024 auf satte 36 Millionen Euro aufgefüllt. „Dieses geplante Finanzpolster des Kreises ist unsere Steuererhöhung von morgen. Ich verspreche Ihnen an dieser Stelle ausdrücklich, dass ich in Zukunft keinen Haushaltsentwurf mit Steuererhöhungen einbringen werde, der darauf fußt, dass der Kreis seine Ausgleichsrücklage aufbaut“, so der Bürgermeister, der auch auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts verwies.

Kämmerer Sven Frohwein hat nachgerechnet, dass lediglich 30 Prozent der Kostenentlastung an die Kommunen weitergegeben werden. Die übrigen 13,5 Mio. Euro würden zur internen Finanzierung des Corona-Mehraufwandes, Kostensteigerungen bei der Eingliederungshilfe, Kosten der Unterkunft, Personalkostensteigerungen, SGB II-Kosten und Mehraufwand für den ÖPNV in eigener Sache verwandt.

Kritik an zusätzlichen Stellen der Kreisverwaltung

Der Erste Beigeordnete kritisierte auch eine „wirklich bemerkenswerte Stellenmehrung“ beim Kreis. Von 2018 bis 2020 seien es 114 gewesen, 2021 nochmals 75. Für 12 rentierliche oder 40 Corona-Stellen sei noch Verständnis aufzubringen, für weitere 23 für Diverses jedoch nicht

„Unzumutbar ist eine solche Kreisumlagebelastung dann, wenn Sanierungspläne oder Steuererhö-hungen bei uns nötig werden und die Finanzlage eine eigenverantwortliche Selbstverwaltung gefährdet. Dieses Spannungsfeld besteht seit Jahren“, kritisierte Sven Frohwein.

Quelle: IKZ Ralf Engel

 

Bürgermeister Christian Schweitzer sieht im Haushalt 2021 wichtige Impulse für die Stadtentwicklung

Kämmerer Sven Frohwein präsentierte mit seinem zweiten Haushalt zugleich einen der schwierigsten.