Frage: Sie haben am kommenden Mittwoch Ihren letzten Arbeitstag in Hemer. Was müssen Sie bis dahin noch erledigen?
Dr. Bernd Schulte: Ich möchte gerne noch eine Reihe von verwaltungsinternen Vorgängen übergeben oder besser noch abschließen und einen großen Stapel Akten zumindest an einige Kollegen weitergeben (lacht). So kann die oder der Neue schnell in die laufenden Vorgänge einsteigen. Und natürlich möchte ich mich in Ruhe von vielen Menschen verabschieden.
Sind Sie auch in die Regelung Ihrer Nachfolge einbezogen?
Als Personaldezernent liegt das Ausschreibungsverfahren und auch die Prüfung, ob alle Bewerberinnen und Bewerber formal für das Amt des oder der Beigeordneten geeignet sind, in meinem Zuständigkeitsbereich. Mit der eigentlichen Bewerberauswahl bin ich jedoch nicht befasst. Diese obliegt dem Rat. In der Düsseldorfer Staatskanzlei werden Sie das Referat Regierungsplanung leiten.
Wer hat Ihnen diesen Job angeboten?
Die Stelle war öffentlich ausgeschrieben und ich musste mich dem üblichen Auswahlverfahren stellen. Der Chef der Staatskanzlei, Nathanael Liminski, den ich seit langer Zeit aus meiner politischen Tätigkeit kenne, hatte mich gefragt, ob ich mich nicht bewerben wolle, auch weil explizit jemand mit Verwaltungserfahrung auf kommunaler Ebene und guten Kenntnissen der Landespolitik gesucht wurde.
Haben Sie lange überlegen müssen, ob sie ihren Hut in den Ring werfen?
Einerseits schon, weil mir meine Arbeit in Hemer bis zum heutigen Tag viel Spaß macht. Letztlich aber habe ich mir gesagt, eine solche Chance darf man einfach nicht ausschlagen. Es ist ein enorm spannender Wechsel der Perspektive. Mein zukünftiges Referat begleitet unmittelbar die politische Agenda der Landesregierung. Es ist damit an zentraler Stelle in der Staatskanzlei angesiedelt, der Behörde, in der ohnehin schon alle Fäden der Landespolitik zusammenlaufen. Da freue ich mich, mitwirken zu dürfen.
Wie gut kennen Sie den Ministerpräsidenten Armin Laschet?
Seit 2014 gehöre ich dem Landesvorstand der CDU an, von daher kenne ich Armin Laschet aus mehreren persönlichen Begegnungen. Darüber hinaus aber nicht näher.
Welche Erkenntnisse aus Ihrer Zeit in Hemer nehmen Sie mit nach Düsseldorf?
Als Rechtsanwalt habe ich vor meiner Zeit in Hemer viele Kommunen beraten. Als Beigeordneter war ich dann plötzlich selbst in der ausführenden Rolle. So musste ich schnell ein Verständnis dafür entwickeln, wie kommunale Verwaltung in der Praxis funktioniert und wie es gelingt, seine Ideen in so einer Struktur umzusetzen. Die für mich ganz persönlich wichtigste Erkenntnis ist wohl, wie viel Freude es mir macht, in einer solchen Schnittstellenfunktion arbeiten und auch gestalten zu dürfen. Wichtig für meine neue Tätigkeit wird auch sein, dass ich die Herausforderungen, vor denen die Kommunen im ländlichen Raum stehen, sehr konkret kenne. Und nicht zuletzt: Persönlich wurde ich darin bestärkt, dass es auch bei einer sehr politisch geprägten Aufgabe immer der richtige Weg ist, mit offenem Visier miteinander umzugehen, mit allen Beteiligten ein offenes Wort zu pflegen und auf die Kraft des Argumentes zu bauen.
Gibt es Dinge, die sie nach über drei Jahren als Beigeordneter und Kämmerer völlig anders sehen und beurteilen als zuvor?
Eigentlich nicht! Aber viele meiner Einschätzungen haben sich in der praktischen Arbeit bestätigt und somit verfestigt. So zum Beispiel, dass in Deutschland vieles rechtlich immer mehr geregelt und damit komplizierter wird. Gewiss, fast jede neue Vorschrift und jeder neue Standard hat eine Berechtigung. Aber in dem Wust von Gesetzen, Regelungen und Vorschriften haben selbst Verwaltungsprofis und Volljuristen häufig Probleme, den Überblick zu bewahren. Für ehrenamtliche Mitglieder eines Stadtrates ist manches kaum noch zu durchschauen – und die müssen letztlich die Entscheidungen treffen. Man muss daher dieses Ehrenamt meines Erachtens mehr wertschätzen und alle Beteiligten in die Lage versetzen, wirklich entscheiden zu können. So habe ich in den vergangenen Jahren immer versucht, als Moderator zwischen Verwaltung, Politik und anderen Institutionen die Dinge so gut wie möglich zu erklären.
Ein Gedankenspiel: Wenn Sie ganz allein richtungsweisende Entscheidungen für die Zukunft Hemers treffen könnten, welche wären das?
Für Hemer fände ich es toll, wenn es gelänge, auch die Innenstadt wieder attraktiver zu machen. Mit neuen gastronomischen Angeboten, die die Hemeranerinnen und Hemeraner und auswärtige Gäste ins Zentrum locken. Wenn man junge Menschen dafür gewinnen will, aufs Land zu ziehen, muss auch etwas los sein. Auch muss die Stadt vor einem Verkehrskollaps bewahrt werden. Wir brauchen daher Umgehungsstraßen, sowohl die A 46, aber auch einer Hemeraner Westtangente beziehungsweise einer Iserlohner Osttangente. Schließlich muss die Digitalisierung unseres Rathauses vorangetrieben werden. Und natürlich würde ich mir wünschen, dass die Stadt handlungsfähig bleibt, unsere Straßen und Gebäude weiter auf Vordermann gebracht und die Stadt entwickelt werden kann, wie Christian Schweitzer das bisher mit viel Elan angegangen ist. Für all das muss der Konsolidierungskurs im Haushalt fortgeführt werden. Dabei würde übrigens besonders die Möglichkeit helfen, weitere Gewerbegebiete ausweisen zu können. Und die Politik muss weiter so gut mitziehen wie bisher.
Wie hat sich das Miteinander mit der Politik denn konkret auf den Haushalt ausgewirkt?
Als Kämmerer hatte ich in Hemer so gut wie nie das Problem, Begehrlichkeiten der Politik bremsen zu müssen. Im Gegenteil, die Ratsmehrheit hat immer sehr auf einen Konsolidierungskurs gedrungen, auch um Steuererhöhungen zu vermeiden. Es erfüllt mich auch ein kleines bisschen mit Stolz, dass uns dies gelungen ist und Hemer sogar über mehrere Jahre zu den wenigen Kommunen in NRW mit real ausgeglichenen Haushalten gehört, obwohl die Situation alles andere als leicht war und ist. Ein Aspekt, den man nicht unterschätzen darf, ist außerdem sicherlich der Umstand, dass Michael Heilmann als unabhängiger Bürgermeister keine automatische Mehrheit im Rat hinter sich weiß und immer wieder um Mehrheiten ringen muss. Das macht viele Entscheidungsprozesse schwieriger. Das Fortkommen einer Stadt ist in dieser Konstellation nicht leicht – aber zumindest dem Haushalt tut es erst einmal gut.
Welche Hemeraner Persönlichkeiten außerhalb von Verwaltung und Politik haben bei Ihnen besonderen Eindruck hinterlassen?
Ich möchte da keine Namen nennen, damit ich niemanden vergesse. Aber es gibt in der Tat hier viele Menschen, die vorbildlich etwas für die Stadt und die Allgemeinheit leisten. Ob das nun Unternehmer sind, die ihr Wissen und auch Geld in den Dienst der Allgemeinheit stellen oder die vielen ehrenamtlich Tätigen in Vereinen und sozialen Verbänden. Überhaupt hat mich das Zusammengehörigkeitsgefühl der Hemeranerinnen und Hemeraner von Anfang an beeindruckt. Auch, weil die Leute sich selbst dabei hier nicht so wichtig nehmen. In Hemer herrscht eine Atmosphäre, in der man sich wohl fühlt, und in der ich mich auch immer wohlgefühlt habe. Besonders dazu beigetragen haben die Kolleginnen und Kollegen aus dem Rathaus, mit denen ich jeden Tag zu tun hatte. Es gibt in der Verwaltung nicht zuletzt viele gute junge Leute mit einem hohen Potenzial, die einen richtig guten Job machen, und dabei auf dem Boden geblieben sind. Ich würde mir kein anderes Team wünschen. In Ihren Haushaltsreden haben Sie stets gemahnt, die Kosten für den Sauerlandpark nicht ausufern zu lassen.
Sind sie etwa der Meinung, dass der Park für eine Stadt dieser Größenordnung ein zu teurer Luxus ist?
Hemer darf sich nicht nur diesen Luxus leisten, sondern muss es sogar. Es ist für die Stadt ein Alleinstellungsmerkmal, das Hemer als Wohnort für junge Familien attraktiv macht. Wenn der ländliche Raum gegenüber den Großstädten in den Ballungszentren im demografischen Wandel bestehen will, braucht er solche Highlights. Wenn ich morgens bei WDR2 über Wochen im Radio höre, dass die Tour der Fanta4 in Nordrhein-Westfalen in „Essen und Hemer“ halt macht, ist das kaum hoch genug zu schätzen. Auch eine kleinere Kommune im ländlichen Raum muss sich so etwas wie den Sauerlandpark leisten dürfen. Klar, man muss dabei aufs Geld gucken. Aber viele Freizeitangebote und Kultureinrichtungen in den großen Städten sind auch Zuschussgeschäfte und tragen sich nicht selbst.
Quelle: IKZ Reinhard Köster